FemTech: Smarter durch Menopause und Wechseljahre
Blicken wir auf die Trends der Tech-Start-Up-Szene, kommen wir an FemTech nicht vorbei. FemTech, kurz für Female Health Technology, beschäftigt sich mit technischen Lösungen, bei denen die Gesundheit von Frauen und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Die weibliche Gesundheit ist nach wie vor zu wenig untersucht. Sowohl bei frauenspezifischen Themen wie Menstruation, Endometriose oder Menopause als auch bei Krankheiten, von den Frauen häufiger betroffen sind, wie Osteoporose oder Herz-Kreislauferkrankungen, werden die Bedürfnisse von Frauen und spezifische Daten zum weiblichen Körper häufig vernachlässigt.
Zu wenig Beachtung und Lösungen sorgen dafür, dass die Gesundheit von Frauen – die immerhin die Hälfte der Bevölkerung ausmachen – nicht gut genug verstanden und respektiert wird. Darunter leidet nicht nur die Lebensqualität von rund 4 Milliarden Menschen auf dieser Welt – es werden auch Kosten verursacht, die sich mit gezielter Forschung und Entwicklung reduzieren ließen. Wir haben bereits einen Blick auf das Thema Menstruation und Periodenurlaub geworfen. Ein weiteres Thema, das alle Frauen im Lauf ihres Lebens betrifft, ist der Komplex Menopause und Wechseljahre.
Wechseljahre und Menopause – natürliche Lebensphasen
Menopause, das verbinden wir mit dem Ende der Menstruation, dem Ende der Gebärfähigkeit. Kurz taucht das Bild von älteren Damen vor dem inneren Auge auf. Die Menopause setzt allerdings nicht plötzlich ein – sie ist Teil der natürlichen hormonellen Umstellung: den Wechseljahren (Klimakterium). Die Wechseljahre selbst gliedern sich in unterschiedliche Phasen. Die Perimenopause bezeichnet die Jahre vor dem endgültigen Menstruationsende – dem Eintritt in die Menopause – und auch noch eine kurze Zeit danach. Die Postmenopause beschreibt den Zeitraum nach dem Ende der fruchtbaren Phase – es kann durchaus ein paar Jahre dauern, bis sich die hormonellen Prozesse neu reguliert haben.
Mit den umgangssprachlich genannten Wechseljahren erleben viele Frauen eine Achterbahnfahrt, sowohl körperlich als auch mental. Hitzewallungen, Schlafstörungen, Gedächtnisprobleme bis zu hin Angstzuständen und Depressionen – alles ausgelöst durch hormonelle Schwankungen und Veränderungen. Mindestens 34 Symptome können den Wechseljahren zugeschrieben werden.
Es handelt sich hierbei um eine natürliche Phase der Veränderung, die durchaus mit der Intensität der Pubertät mithalten kann. Sie kommt auf Frauen etwa ab dem Alter von 40 zu und kann bis zum Alter von 60 dauern.
Wechseljahre im beruflichen Kontext
Die Perimenopause hat einen erheblichen Einfluss auf das berufliche Umfeld. Rund zwei Drittel aller Frauen haben in diesem Lebensabschnitt moderate bis schwere gesundheitliche Probleme. In Deutschland war die Altersgruppe der weiblichen Einwohnerinnen zwischen 40 und 59 Jahren mit rund 11,5 Millionen im Jahr 2022 die größte Gruppe. Im Jahr 2021 waren über 7,6 Millionen in dieser Altersgruppe erwerbstätig. 15 Kranktage reichen Frauen hierzulande aufgrund von Wechseljahrsbeschwerden ein. Und fühlen sich aufgrund der Beschwerden weniger leistungsfähig und belastbar – das haben Untersuchungen der Universität Nottingham ergeben.
Laut dem Global Menopause Research Report erfährt nur jede zehnte Arbeitnehmerin in Deutschland Unterstützung am Arbeitsplatz. Unternehmen laufen jedoch Gefahr, talentierte Mitarbeiterinnen zu verlieren: Jede dritte bis vierte Frau in der Altersgruppe zwischen 45 und 55 überlegt, die Berufstätigkeit aufzugeben, die Arbeitszeit zu reduzieren oder einen schlechter bezahlten Job anzunehmen. Dabei befinden sie sich in einer Lebensphase, in der sich Frauen karrieremäßig neu sortieren und noch einmal voll durchstarten könnten.
Dafür müssten Arbeitgeber:innen in der Unternehmenskultur jedoch Verständnis für die betroffenen Frauen verankern, ähnlich, wie es beispielsweise bei Schwangerschaften bereits üblich ist. Die Universität Nottingham hat für die Arbeitswelt vier relevante Bereiche identifiziert, in denen Arbeitgeber:innen unterstützen können:
- stärkere Sensibilisierung von Führungskräften für die Frauengesundheit
- flexible Arbeitszeiten und -organisation
- Zugang zu formellen und informellen Unterstützungsangeboten
- Anpassungen am Arbeitsplatz, wie etwa Temperaturregelung, Ruheraum oder auch proteinreiches Kantinenessen
Unterstützung zahlt sich nicht nur für die Arbeitskultur, sondern auch ökonomisch aus. Die durch Wechseljahre verursachten Produktivitätsverluste kosten weltweit jährlich rund 150 Milliarden Dollar – Tendenz aufgrund der Demographie steigend.
Medizinische Betreuung in der Perimenopause und Menopause
Die Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Symptome machen es Frauen nicht leicht, diese auf die völlig normalen hormonellen Veränderungen zurückzuführen. Hinzu kommt, dass sich in Deutschland 37 Prozent der Frauen in den Wechseljahren von ihrer Gynäkologin oder ihrem Gynäkologen nur unzureichend beraten und betreut fühlen. Im Medizinstudium wird dazu zu wenig Wissen vermittelt und die Beratung ist schwer abzurechnen: Gynäkolog:innen erhalten pro Quartal 16,89 Euro für die Betreuung von Wechseljahrsbeschwerden, egal wie oft die Frau die Praxis aufsucht. Frauen bleiben so oft unaufgeklärt oder müssen für eine privatärztliche Beratung und Behandlung bezahlen. Wenden sie sich an andere Fachärzt:innen, erhalten sie wegen fehlendem interdisziplinärem Austausch kaum die richtige Hilfe.
Die Zeit um die Menopause ist aber genau die Zeit, die die Weichen für die Gesundheit bis ins hohe Alter stellt: Mit der richtigen Prävention können Osteoporose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Demenz deutlich reduziert werden.
FemTech – Technologische Unterstützung auf dem Vormarsch
Frauengesundheit rückt zum Glück immer mehr in den Fokus von Technologie und Innovation – auch, weil es einen veritablen Markt zu erschließen gilt. Künstliche Intelligenz (KI) hält auch hier Einzug.
Die technologisch unterstützten Innovationen in der FemTech-Branche stehen noch am Anfang – und das Potenzial von KI ist enorm.
Anita Haak
Noch setzt der Markt vornehmlich auf die Behandlung von Wechseljahrssymptomen: So kann zum Beispiel das smarte Thermaband die aufkommende Hitzewallung erkennen und kühlend entgegenwirken. Auch Apps zur Unterstützung der mentalen Gesundheit setzen auf KI und können Frauen durch die Phasen der Stimmungsschwankung helfen, Meditationen anleiten oder bei der Stressbewältigung unterstützen.
Die technologisch unterstützten Innovationen in der FemTech-Branche stehen noch am Anfang – und das Potenzial von KI ist enorm. Der entscheidende Vorteil liegt in der Verarbeitung und Auswertung von Datensätzen mit der Fähigkeit, daraus Prognosen zu erstellen. KI kann Gesundheitsdaten, wie zum Beispiel Zyklusdaten, Hormonspiegel oder Vital- und Bewegungsdaten personalisiert auswerten und passende Handlungsempfehlungen liefern.
Es liegt heute nahe, hormonellen Veränderungen mit einer Hormontherapie zu begegnen. Die Studienlage beschert der Gabe von synthetischen oder bioidentischen Hormonen ein Für und Wider. Sie kann eine gute Möglichkeit sein, geschieht aber häufig nach dem Motto „Trial and Error“.
Kann KI die Hormonschwankung erkennen und voraussagen, wäre eine individualisierte Hormonsubstitution möglich. Ähnlich große Hoffnungen liegen in der Diagnostik von vielen weiteren Erkrankungen, wie Brust- oder Gebärmutterhalskrebs. KI-basierte Diagnosetools erkennen die Frühwarnzeichen und unterstützen die Befunde.
#wirsind9millionen – Initiativen für mehr Aufmerksamkeit
Im März 2023 hat es das Thema Wechseljahre auch durch Initiativen wie #wirsind9millionen bis in den Bundestag geschafft – die Geburtsstunde der politischen Auseinandersetzung mit der Menopause. Die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit wächst also. Das bringt die Chance mit sich, dass das Thema Wechseljahre in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz enttabuisiert wird. Und dass sich mit den zu erwartenden Innovationen auf dem Gesundheitsmarkt die Versorgung der Frauen weiter verbessert. Die Hälfte der Bevölkerung wird es danken.