Transformation: Ein Buzzword zwischen Anspruch und Realität

Digitalisierung, Globalisierung, Klimakrise und die zunehmende Dynamik der Märkte stellen Unternehmen vor große Herausforderungen. Wer überleben will, muss sie meistern. Also sich anpassen und verändern. Kein Wunder, dass der Begriff „Transformation“ in aller Munde ist – egal ob bei Journalist:innen, Führungskräften oder Kommunikator:innen. Doch ist er geeignet, das Notwendige zu beschreiben? Oder wirft er eher Fragen auf?

Nicht schon wieder ein Artikel über Transformation. War das dein erster Gedanke, als du auf diesen Beitrag geklickt hast? Verständlich. Schließlich gibt es mehr Artikel zu diesem Thema als ein einzelner Mensch lesen kann. Aber Fakt ist: Die Fähigkeit, Prozesse und Strukturen an neue Gegebenheiten anzupassen, ist zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor für Unternehmen geworden. 

Das erleben auch wir als Agentur für Zukunftsthemen in unserer täglichen Arbeit. Gleichzeitig sehen wir aber auch, dass "Transformation" oft als inhaltsleeres Buzzword genutzt wird. Alle sprechen davon; bedeuten kann es alles oder nichts. Die einen verbinden mit dem Schlagwort Träume von Quantencomputing und KI, während andere noch nicht einmal über zeitgemäße Technik für einen reibungsfreien Arbeitsalltag verfügen.

Was bedeutet Transformation?

Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte im vergangenen Jahr bei der “Allianz für Transformation“, einem Austausch der Bundesregierung mit Wirtschaft, Gewerkschaften, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, dass Transformation das Wort sei, das in aller Munde ist. „Zu Recht, weil es um eine Veränderung geht“, fügte er hinzu. Damit liegt Scholz richtig. In einer unbeständigen Welt steht Veränderung auf der Tagesordnung.

Doch was der Transformationsbegriff tatsächlich bedeutet, bleibt oft im Dunkeln. Genau wie viele Führungskräfte trägt auch Bundeskanzler Scholz in seiner Rede nicht unbedingt zu einer tieferen Durchdringung bei: Man suche nach einem „gemeinsamen Verständnis von Transformation“, erklärte er. 

Die zunehmende Popularität des Begriffs sowie dessen inflationäre und wenig trennscharfe Verwendung führt dazu, dass er an Bedeutung verliert und zur Floskel verkommt. Das Ergebnis: Anstatt Menschen Sicherheit und Stabilität zu geben, sorgt er für Verunsicherung und Ängste. Etwa die Angst "abgehängt zu werden" oder "den Job zu verlieren". In einer Zeit, die durch Unsicherheit und starke Veränderung geprägt ist, wünschen sich aber immer mehr Menschen genau das – Sicherheit und Stabilität.

Wanted: Eine Definition von Transformation, die Stabilität und Orientierung gibt

Was genau steckt nun hinter einer „Transformation“? Das Problem des Begriffs liegt schon in seiner Semantik: Es fehlen Richtung und Ziel. Die substantivierte Form des Verbs „transformieren“ (lateinisch transformare, aus: trans = hinüber und formare = formieren) beschreibt lediglich einen Akt der grundlegenden Veränderung oder Umgestaltung. Von welchem Start- bis zu welchem Endpunkt sich diese Transformation vollzieht, bleibt offen. Diese müssen jedoch im Einzelfall klar benannt werden, um Ziel und Art der Transformation zu verdeutlichen. 

Kognitiv kann uns der Begriff kein mentales Bild liefern, das unserem Verständnis auf die Sprünge hilft. Sprachbilder können jedoch helfen, uns den Begriff zu verdeutlichen: 

Den Prozess einer Transformation im Unternehmen können wir beispielsweise mit dem Bild einer Busreise vergleichen. Der "Transformationsbus" ist angekündigt, die meisten Mitarbeitenden stehen reisebereit mit gemischten Gefühlen an der Haltestelle. Ein Großteil steigt direkt ein und hofft auf positive Veränderung. Noch sind nicht alle an Bord, es folgt die zweite Welle: Die Bustüren öffnen sich erneut, weitere Menschen steigen ein. Es ist Zeit für die Abfahrt, der Bus hupt und einige  nehmen noch ihren Platz ein. Dann schließen sich die Türen, der Bus fährt los. Im Rückspiegel sieht der:die Busfahrer:in weitere Nachzügler:innen winken, für die er nochmal anhält. Dann fährt er endgültig ab. Am Zielort warten schließlich schon die Kund:innen und hinter ihm drängeln andere Fahrzeuge oder überholen: Die Konkurrenz ist auch schon unterwegs. Trotz der langen Zeit des Wartens und der vielen Angebote sind immer noch nicht alle in den Bus eingestiegen, haben also die Transformation und den Kulturwandel nicht mitgemacht. 

Dieses Bild verdeutlicht, dass eine Unternehmenstransformation ein schrittweiser Prozess ist, bei dem einige Mitarbeitenden sofort involviert sind, andere sich später anschließen und einige vielleicht nie Teil dieser Veränderung werden.

In Bezug auf Unternehmen beschreibt der Begriff Transformation einen umfassenden Prozess des tiefgreifenden Wandels. Dabei passen Organisationen ihre Strukturen, Prozesse, Kultur oder Technologien an, um auf neue Anforderungen, veränderte Marktbedingungen oder technologische Entwicklungen zu reagieren. 

Transformationsarten: intern vs. extern 

Unternehmen können interne und externe Transformationen durchlaufen. Die beiden Arten sind oft miteinander verbunden und können sich gegenseitig beeinflussen. Um sich an ein sich wandelndes Umfeld anzupassen, müssen Unternehmen sowohl interne als auch externe Veränderungen berücksichtigen:

  • Interne Transformationen betreffen die Veränderungen, die innerhalb eines Unternehmens oder einer Organisation stattfinden. Sie beinhalten Prozesse, Strategien, Strukturen und Kulturen, die überarbeitet werden, um die Effizienz, Agilität, Innovationsfähigkeit oder Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu verbessern. Eine interne Transformation kann beispielsweise die Einführung neuer Technologien, die Umgestaltung von Arbeitsabläufen, die Implementierung einer neuen Unternehmenskultur oder die Umstrukturierung von Abteilungen umfassen.

 

  • Externe Transformationen beziehen sich auf die Anpassung auf Veränderungen, die außerhalb eines Unternehmens oder einer Organisation stattfinden und auf die das Unternehmen reagieren muss. Diese Veränderungen können durch den Markt, Kund:innen, Technologieentwicklung, regulatorische Anforderungen oder andere externe Faktoren verursacht werden. Eine externe Transformation erfordert Anpassungen in Bezug auf Produktangebote, Vertriebskanäle, Kundenbeziehungen oder Marktpositionierung, um den sich ändernden Anforderungen gerecht zu werden und wettbewerbsfähig zu bleiben.

 

Die Transformation eines Unternehmens kann verschiedene Ziele verfolgen, zum Beispiel:

  • die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern
  • die Innovationskraft zu verbessern
  • sich an veränderte Kundenbedürfnisse anzupassen
  • eine zukunftsfähige Unternehmensstruktur aufzubauen

 

Eine erfolgreiche Transformation erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise. Dafür müssen Führungskräfte und Change-Management eng zusammenarbeiten, um ausreichend Ressourcen für den Prozess bereitzustellen und die Bedürfnisse der Mitarbeitenden so umfassend wie möglich zu berücksichtigen.

Erfolgreiche Transformation – so geht’s!

Einigen Unternehmen, darunter Engelbert Strauss und Jägermeister, ist eine solche Transformation bereits gelungen. Sie haben es mit verschiedenen Maßnahmen geschafft, ihre Reputation grundlegend zu verändern und sich in völlig neuen Zielgruppen zu etablieren. 

Engelbert Strauss: Stretch your limits

Ursprünglich war Engelbert Strauss ein traditioneller Hersteller von Arbeitsbekleidung, der für seine funktionalen, aber gesichtslosen Produkte bekannt war. Um dieses Image zu ändern und neue Zielgruppen zu erschließen, hat das Unternehmen einige entscheidende Schritte unternommen:

  1. Markenimage: Engelbert Strauss hat sein Markenimage neugestaltet und sich von einem traditionellen Anbietenden von Arbeitskleidung zu einer modernen und hochwertigen Marke für Work & Outdoor Clothing entwickelt. Dabei legt das Unternehmen besonders viel Wert auf ansprechende Designs und hochwertige Materialien.
  2. Marketingstrategie: Das Unternehmen investierte in eine neue Marketingstrategie, um seine Produkte einer breiteren Zielgruppe zugänglich zu machen. Dazu gehörten eine stärkere Präsenz in sozialen Medien, gezieltes Influencer-Marketing und innovative Werbekampagnen.
  3. Produktdiversifizierung: Engelbert Strauss erweiterte das Produktsortiment, um den sich wandelnden Bedürfnissen und Ansprüchen der Kund:innen gerecht zu werden. Neben Berufsbekleidung bot das Unternehmen auch modische Outdoorbekleidung an, die sowohl funktional als auch ästhetisch ansprechend war.
  4. Kundenbindung: Durch guten Service und innovative Angebote entwickelte sich eine starke Kundenbindung.

Engelbert Strauss ist ein Paradebeispiel dafür, wie B2B-Marken die Potenziale der Digitalisierung nutzen können, um ihre Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln und sowohl Geschäfts- als auch Privatkund:innen zu erreichen. Da das Unternehmen frühzeitig in eine Digitalisierungsstrategie investiert hat, ist es nicht auf Vertriebspartner angewiesen und kann so auch gezielt das Privatkund:innengeschäft erobern. „Stretch your Limits“ könnte in diesem Fall kein besseres Motto sein.

Jägermeister:  vom Altherren- zum Kultdrink

Jägermeister war lange Zeit eher als klassisches Getränk der älteren Generation bekannt, das häufig in Kneipen oder am Kiosk konsumiert wurde. Um ein neues Image zu schaffen und jüngere Zielgruppen anzusprechen, unternahm das Unternehmen folgende Schritte:

  1. Eventmarketing: Jägermeister stieg verstärkt in das Sponsoring und Eventmarketing ein. Damit wurde die Marke zum ständigen Begleiter auf Veranstaltungen wie Festivals und festigte dort sein Image als kultiges Partygetränk.
  2. Lifestyle-Assoziation: Durch geschickte Marketingkampagnen und Partnerschaften wurde Jägermeister mit einem jugendlichen, lebensfrohen und trendigen Lebensgefühl assoziiert. So wurde die Marke zum Symbol für Coolness und Spaß.
  3. Präsenz in sozialen Medien: Das Unternehmen nutzte die Kraft der sozialen Medien, um seine Marke bei jüngeren Zielgruppen zu etablieren. Der Aufbau einer starken Online-Präsenz trug dazu bei, die Kultmarke zu etablieren.

 

Die Transformation dieser beiden Unternehmen zeigt, wie durch geschickte Marketingstrategien, Innovation und Anpassung an sich verändernde Trends und Konsumentenbedürfnisse eine Neupositionierung und Erschließung neuer Zielgruppen gelingen kann.

Ohne Begrifflichkeit kein Begreifen! 

Natürlich ist es viel einfacher, den Begriff Transformation und dessen Verwendung zu kritisieren, als einen adäquaten Ersatz zu finden. Dennoch scheint es ein weit verbreitetes Missverständnis zu sein, dass eine Transformation eine einzelne Aktivität sei. In der Realität besteht eine Transformation aus diversen, teils fragmentierten Prozessen. Sie braucht Zeit, muss die Menschen mitnehmen und ihnen Sicherheit geben. Unabhängig von der Art der Transformation ist sie keine einmalige Aufgabe, sondern ein kontinuierlicher Prozess der Entwicklung und des Umdenkens.

Anstatt also unreflektiert mit dem Begriff um sich zu werfen, sollten wir ihn hinterfragen. Wie können wir umfassende, anhaltende Veränderungen in unserem Sprachgebrauch in positive Bilder übersetzen? Nur wenn wir Menschen in den Mittelpunkt einer Transformation stellen und ihre Ängste ernst nehmen, können wir den Mut zum Wandel wecken.

Bildquelle: Unsplash | Chris Lawton

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