Konformität adé! Warum es Rebellen am Arbeitsplatz braucht

Einst galten Querdenker als anstrengende Querulanten. Dementsprechend unbeliebt waren sie im Unternehmen. Dass zu viel Konformität einem Unternehmen jedoch schaden kann, zeigen die wissenschaftlichen Untersuchungen von Francesca Gino, Professorin für Business Administration an der Harvard Business School. Sie plädiert, „Let your workers rebel“ und schafft somit einen neuen Arbeitsansatz, der der Generation Y und Z aus der Seele spricht.

Die Generation Y: Die geborenen Rebellen

Die Generationen Y und Z zeigen sich zunehmend rebellisch und konventionslos – auch am Arbeitsplatz.

Für mich als Kind der Generation Y ist klar: Ich möchte Dinge kritisch hinterfragen können. Und ja, auch im Büro. Eigentlich erst recht dort, denn hier verbringe ich einen Großteil meines Tages und trage gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen zu einem bestehenden Wirtschaftssystem bei (oder denke dieses eben neu – aber dazu später)!

Die Tatsache, dass unser (wirtschaftliches) Handeln – so klein es einem selbst noch erscheinen mag – einen Impact auf die ganze Welt hat, bedeutet viel Verantwortung, der wir bisher nur teilweise gerecht geworden sind. Sehr präsente Beispiele dafür sind der Klimawandel oder die Lebens- und Arbeitsbedingungen eines Großteiles der Weltbevölkerung, die wir mit unserer Art zu leben und zu wirtschaften mit zu verantworten haben.

Ich persönlich möchte nicht in dem bestehenden System arbeiten und wirtschaften ohne es zu hinterfragen, eben weil es sich bisher als zu wenig nachhaltig erwiesen hat. Um jedoch Wirtschaftssysteme zu entwickeln, die einen Mehrwert für die Welt liefern, braucht es Rebellen und Querdenker, die mutig ihren Unternehmen unbequeme Fragen stellen und so Reibung erzeugen. Die Generationen Y und Z können hier mit ihrem natürlichen Hang zum permanenten Infragestellen bestehender Strukturen einen großen Beitrag leisten.

Um Wirtschaftssysteme zu entwickeln, die einen Mehrwert für die Welt liefern, braucht es Rebellen und Querdenker, die mutig ihren Unternehmen unbequeme Fragen stellen.

Vivian Jung-Loddenkemper

Aber auch abseits des Traums, die Welt verbessern zu können – der Mut zum Querdenken ist lebensnotwendig für den Innovationsgeist und die Authentizität von Unternehmen. Das sehe nicht nur ich so, sondern auch die Wissenschaftlerin Francesca Giona. Laut Giona fühlt sich ein Großteil der Arbeitnehmer:innen, als müsse er oder sie die eigene Persönlichkeit an der Türschwelle zur Arbeitsstätte ablegen.

Dass viele im Beruf nicht ihr authentisches Selbst ausleben dürfen, hat ihr zufolge jedoch negative Auswirkungen auf Unternehmen wie Mitarbeitende gleichermaßen. Mitarbeitende engagieren sich weniger, sind weniger produktiv und erst recht nicht innovativ. Das Unternehmen büßt daher an Umsatz, Wettbewerbsfähigkeit sowie Erfindergeist ein und schlägt sich mit einer hohen Mitarbeiter-Fluktuation herum.

Ermutigende Unternehmenskultur als Grundvoraussetzung

Ermutigen Organisationen hingegen die Mitarbeiter, sich authentisch auszudrücken und den Status Quo angemessen zu hinterfragen (Gino nennt dies "constructive nonconformity"), drehen sich die negativen Folgen um: Die Performance der Angestellten verbessert sich und sie wirken authentischer auf Außenstehende. Außerdem fühlen sie sich selbstbewusster und vom Unternehmen mehr eingebunden, was zu geringeren Fluktuationsraten und einer zufriedeneren Belegschaft führt. 

Eine ebenfalls tragende Rolle spielt das Querdenken im Feld der Innovation. Diese wird gar erst möglich, wenn das Unternehmen seinen Mitarbeitenden Raum gibt, um Etabliertes kritisch zu hinterfragen und ehrlich die eigene Meinung zu artikulieren.

Für's Recruitment heißt das: Die Mischung macht's

In der Umsetzung bedeutet das, dass es im Büroalltag häufiger zu Reibungen und Diskussionen kommt, die, angemessen geführt, Mitarbeitende und Unternehmen weiterbringen: Persönlich, weil es Courage braucht, seine Meinung trotz Hierarchien authentisch zu vertreten und gleichzeitig die Meinungen anderer zu akzeptieren. Beruflich, weil durch diverse Meinungen differenziertere Lösungen entstehen. Zudem macht es einfach Spaß um die Ecke zu denken, sich frei äußern zu dürfen und Platz für Neugierde zu haben.

Auch ich bin typisch für meine Generation ein kleiner Rebell am Arbeitsplatz. Allerdings hinterfrage ich nicht nur, um neue Prozesse zu etablieren, sondern auch, um die bestehenden Abläufe überhaupt wirklich zu verstehen. Für Gino ist eben dieses Verstehen – also ein fundiertes Wissen über das „Wie“ und „Warum“ bestehender Prozesse – die Voraussetzung für Innovation. Denn erst wer das System verstanden hat, kann konstruktiv reflektieren, wo es hakt.

Insbesondere die Generationen Y und Z sind daran gewöhnt, querzudenken. Gemäß einem Artikel von Jessika Fichtel neigt die Generation Y – ihr Name ist kein Zufall (Y = WHY) dazu, alles konsequent zu hinterfragen. Ältere Generationen sind ihrer Meinung nach hingegen dafür bekannt, präzise und belastungsfähig Prozesse auszuführen. Lernen die Generationen voneinander, entsteht eine besondere Mischung aus effizienten und innovativen Prozessen.  

Titelbild: Eric Prouzet on Unsplash

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