Mach doch mal was mit Purpose

Vor einigen Jahren mussten Jobs noch irgendwas mit Menschen oder Medien zu tun haben. Das war cool und hip. Heute ist es „Purpose“. Ich schwanke zwischen Weinen und Lachen. Auf der einen Seite ist es erschreckend, dass extra betont werden muss, ein Job sollte einen Sinn erfüllen, einen Zweck haben. Auf der anderen Seite ist es unglaublich schön, dass immer mehr Unternehmen und motivierte Professionals nicht mehr länger nur Akten hin und her schubsen, sondern mit ihrem Tun einen wirklichen Unterschied in der Gesellschaft machen wollen. Ein Trend, der sich gerne fortsetzen darf und hoffentlich sein Nischendasein bald verlässt, um zu einem ganzheitlichen Wandel zu werden. Bei allem Elan und aller Motivation stellt sich aber auch die Frage: Haben es Unternehmen mit Purpose, besonders in der Kommunikation, schwerer als ihre „konventionellen“ Mitstreiter?

Kommunikation und Purpose - Wie Leidenschaft Kritiker verstummen lassen kann / Bild: Ian Schneider auf Unsplash

Startups sind die Treiber des Purpose

Treiber der Purpose-Denke sind wie immer nicht die großen Konzerne, sondern vielmehr kleine Unternehmen und Startups, die ihr gesamtes Geschäftsmodell darauf ausrichten, sich für eine gesellschaftlich oder ökologisch wichtige Sache einzusetzen. Sie sind es auch, die sich die meisten Gedanken darüber machen, ob auch wirklich jedes Detail ihres Produkts nachhaltig, wertvoll und sinnvoll ist. Ist die Verpackung meines veganen Duschgels aus recyceltem oder abbaubarem Material? Gibt es eine Alternative zum Plastik? Kann ich mit meinem eigentlichen Businessplan möglichst vielen Menschen helfen oder erschaffe ich gerade ein Elitenmodell? Was darf ich in der Öffentlichkeit alles sagen und was kann mir später aus dem Kontext gerissen falsch ausgelegt werden? Die Sorgen und Gedanken hören nicht auf. Genau das macht Unternehmen mit einem wirklichen Purpose auch zu etwas besonderem. Sie beharren nicht einfach stur auf ihren Methoden und zuvor überlegten Praktiken. Sie passen sie kontinuierlich auf Basis des Feedbacks und ihrer eigenen Möglichkeiten an. Und das meistens sehr schnell und nicht über einen strategisch ausgelegten Zeitplan von fünf bis zehn Jahren. Wenn etwas besser geht, wieso dann nicht gleich?

Startups stehen stärker unter Beobachtung

Das Umfeld, in dem sich diese Unternehmen bewegen, ist jedoch auch wesentlich härter als jenes der „konventionell“ wirtschaftenden Unternehmen. Gerade weil sie helfen und eben wirklich etwas bewegen und verändern wollen, geraten sie umso schneller in die Kritik. Die „Gutmenschen“ werden genauestens vom Wettbewerb, den Konsumenten und Social-Media-Aktivisten unter die Lupe genommen. Sobald das erste Haar in der Suppe auftaucht, kann es schon brenzlig werden und die Kritik artet schnell in einem Rundumschlag aus, anstelle sich auf das Detail zu konzentrieren, das möglicherweise tatsächlich noch verbesserungswürdig ist. Sofort wird in Frage gestellt, ob sich hinter dem vermeintlichen Purpose doch nur reine Geldmache verbirgt. Die jüngste Reaktion der Investoren bei dem „Höhle der Löwen“-Auftritt von Sirplus, einem Unternehmen, welches Lebensmittel vor der Mülltonne rettet, ist geradezu ein Paradebeispiel dafür.

Es ist natürlich wichtig, Green- und Socialwashing aufzudecken und Unternehmen in die Verantwortung zu nehmen. Dennoch erscheint mir ein Großteil der Kritik, besonders an Startups, einfach nur trotzig. „Siehst du, habe ich ja gleich gesagt, dass dieses Modell utopisch ist. Sowas kann ja nicht funktionieren, war klar, dass da ein Haken ist.“ Statt den Benefit of a Doubt zu gewähren, wird die Kettensäge geschwungen und dazu die Bestätigung gesehen, dass alle einigermaßen erfolgreichen Unternehmen automatisch profitgesteuerte Bösewichte sein müssen. Haben es junge Unternehmen mit Purpose in Sachen Kommunikation also schwerer als ihre konventionellen Mitstreiter?

Intrinsische Motivation und Austausch machen stark

Dazu ein kleiner Exkurs: Vor nicht allzu langer Zeit haben wir bei Oseon einen PR-Workshop für Purpose Startups gegeben. Aus verschiedenen Branchen sammelten sich die Gründerinnen und Gründer, berichteten von ihren Ideen, wie sie diese letztlich abwandelten, wenn sich die Umsetzbarkeit als zu komplex erwies, und wie sie sich entwickelt haben. Sie alle hatten eines gemein: Die Freude im Gesicht, als sie ihre Ideen vor der Gruppe pitchten. Während sie im Workshop vieles zu Unternehmens- und Kommunikationszielen, kreativen Kampagnen, der Partner- sowie Investorengewinnung und dem richtigen Umgang mit Krisen auf Social Media lernten, war der Austausch für die TeilnehmerInnen untereinander mindestens genauso wertvoll. In den Pausen wurde fleißig genetzwerkt und an Ideen herumgesponnen, wie die einzelnen Startups sich gegenseitig ergänzen können, um ihre einzelnen Produkte noch besser, cooler, umfassender und letztlich für die Kunden noch interessanter und sinnvoller zu machen.

Obwohl eine Person wegen einer Erkältung kaum Stimme hatte, die nächste immer wieder wegen eines Produktlaunchs an diesem Tag nervös auf ihr Handy blickte und eine andere mit Jetlag zu kämpfen hatte, war da dieses Leuchten. Ja, es ist stressig. Ja, es werden immer wieder Stimmen laut, die kritisieren. Und ja, man muss damit leben, lieb gewonnene Ideen wieder loszulassen und agil an die Realität anzupassen. Trotz allem wirkte keine der Anwesenden desillusioniert, apathisch oder wütend. Mit einem Drive, der nur entstehen kann, wenn eine eigene, intrinsisch motivierte Idee zum Leben erweckt wird, brachten sich alle leidenschaftlich ein und diskutierten. Vermutlich war das einer der besten Workshops, den ich bisher erleben durfte. Sie sahen es nicht als Pflicht, sondern als wichtigen Baustein für ihren Traum.

Man darf meine Ausführungen nun gerne pathetisch nennen. Aber eines steht fest: Unternehmen mit Purpose haben es auf eine gewisse Art und Weise schwerer als ihre konventionell agierenden Mitbewerber, da sie mitunter noch genauer unter Beobachtung stehen. Allerdings haben sie auch einen entscheidenden Vorteil, wenn doch einmal kritische Stimmen laut werden: Sie wissen genau, wofür sie stehen und brennen für ihre eigene Sache. Bei berechtigter Kritik reagieren sie schnell und passen ihr Konzept an. Sie brauchen keine Geschäftsanweisungen und machen keine sinnlose oder im schlimmsten Fall noch schädliche Arbeit nach Schema F. Sie geben sich selbst die Anweisungen und wenn diese einmal veralten und es bessere Lösungen gibt, dann eben so. Sie werden durch ihre eigene Überzeugung getrieben und die wiegt so einiges an Kritik auf. Macht weiter! Vielleicht gehört es dann bald wieder zum Standard, dass Unternehmen und Jobs immer einen Purpose haben.

Titelbild: Alin Andersen on Unsplash

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