Impact Week: Startups als Entwicklungshilfe

Oseon war dieses Jahr Sponsor der Impact Week Nairobi. Das mag nicht das naheliegendste Engagement sein. Was verbindet bitte sehr eine PR-Agentur, die sich mit Digitalisierungsthemen beschäftigt, mit Afrika?

Viele Menschen hierzulande denken in erster Linie an Armut, Hunger, Korruption und Krankheiten, wenn vom Schwarzen Kontinent die Rede ist. Man spendet zu Weihnachten ein paar Euro für die Entwicklungshilfe und hofft, dass das Geld Kindern den Schulbesuch bezahlt. Doch die Realität ist weitaus komplizierter: Ja, die afrikanischen Ländern bilden das Schlusslicht im Human Development Index, viele Länder sind kaum regierbar. Gerade in den größeren, wirtschaftlich stärkeren Ländern wie Südafrika, Namibia oder Kenia hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten eine formidable Mittelschicht herausgebildet. Dort existieren Elend und Glamour, Kleinbauern und Venture-Kapitalgeber nebeneinander.

Digitalisierung in Afrika geht trotz Hürden voran

Man könnte meinen, die Masse der afrikanischen Bevölkerung hat mit digitale Technologien wenig am Hut. Zu teuer, zu wenig verfügbar. Und doch spielen diese eine bedeutende Rolle für Leben und Wirtschaft in Afrika: Handys sind verbreiteter als Trinkwasseranschlüsse, und wer kein Bankkonto hat, kann mit mobilen Services wie M-Pesa Rechnungen bezahlen. Viele Menschen hatten nie in ihrem Leben ein Festnetztelefon, aber per Facebook und Twitter halten Sie Kontakt zur Welt. Zwar ist eine universelle Abdeckung mit Internet und Mobiltelefonen noch lange nicht erreicht, das macht Afrika zugleich zu einem Zukunftsmarkt mit großem Potenzial. Ansatzpunkte und Anwendungsfälle gibt es mehr als genügend. Das Weltwirtschaftsforum schrieb letztes Jahr über zehn Technologien, die Afrikas Entwicklung maßgeblich vorantreiben werden.

Elektro-Shops dominieren das Straßenbild von Nairobi / Bild: Julia Zhu/Oseon

Innovation Hubs in Africa

Große Unternehmen wie Google und IBM nutzen diese Technologie-Affinität und haben Standorte und Innovation Hubs in Afrika aufgebaut. Neben Johannesburg gilt besonders die kenianische Hauptstadt Nairobi als „Silicon Valley Afrikas“ oder auch „Silicon Savannah“, mit einer blühenden Startup-Szene. Verbesserungsbedarf bleibt trotzdem. Focus-Autor Christopher Hahn benennt in einem lesenswerten Artikel einige Hürden, die die Digitalisierung in Afrika bremsen: mangelnde Sicherheit, schlechter Internetzugang, unzuverlässige Stromversorgung, Analphabetismus sowie Mangel an Kapital. Doch genau dies sind Probleme, die mit Hilfe digitaler Technologien gelöst werden können.

Siegerteam „Happy Farm“ zeigt seine „farm in a box“ / Bild: Julia Zhu/Oseon
Das zweitplatzierte Team „Goldtrash“ präsentiert bei den Impact Awards / Bild: Julia Zhu/Oseon

Wie? Darauf hat die diesjährige Impact Week Antworten gesucht und gefunden. Bei dem Start-up-Workshop, der vom 4. bis 7. Juli in der kenianischen Hauptstadt Nairobi stattfand, kamen knapp hundert junge Menschen zusammen. Die meisten von ihnen Studenten der Africa Nazarene University mit einem gemeinsamen Ziel: Lösungen für drängende Probleme in Kenia und anderen Entwicklungsländern zu entwickeln. Und zwar nicht nur als Ideensammlung (die kam natürlich auch heraus), sondern um daraus ein Business zu entwickeln, mit Geschäftsmodell und Pitch um einen Platz im Inkubator. Das Konzept hinter dieser Vorgehensweise lautet, dass die Menschen vor Ort am besten wissen, wo ihre Probleme liegen und wie man diese lösen kann. Ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen bewirkt mehr nachhaltige Veränderung als einen Brunnen zu bohren. Investitionen in Bildung und Wirtschaft sind die beste Entwicklungshilfe

Geschäftsideen für alle Bevölkerungsschichten

Ideen für sieben Bereiche wurden gesucht: Food & Agriculture, Education, Mobility, Healthcare, Finance, Security sowie Lifestyle & Cosmetics. Insgesamt 17 Teams beschäftigten sich mit den Problemen, die Hahn beschreibt. Ein Lösungsvorschlag verband den Zugang zu Kapital mit der Sicherheitsfrage, indem er ein System zur Bewertung und Zertifizierung von Mikrofinanzprodukten und –anbietern skizzierte. Ein anderes Team will Verbesserungen an den Lehrmethoden kenianischer Schulen herbeiführen. Ziel ist den Frontalunterricht mit trockenem Faktenwissen durch eine partizipative Vermittlung lebensrelevanter Kompetenzen zu ersetzen.

Kollegin Julia Zhu ist als Vertreterin von Oseon vor Ort / Bild: Oseon

Den größten Eindruck bei den Organisatoren machten Ideen, die auf die Befriedigung elementarer Bedürfnisse von Menschen abzielen. Im Pitch-Wettbewerb, dem krönenden Abschluss der Impact Week, mussten Teams nicht nur die Relevanz ihrer Idee und ein solides Geschäftsmodell zeigen. Sie mussten zudem den Social Impact ihrer Lösung verdeutlichen.

Abgeräumt haben dort drei Teams mit Ideen zu Ernährung und Gesundheit. Platz 3 ging an ein mobiles Wasserfiltersystem – wie gesagt, mehr Menschen haben Handys als eine Trinkwasserversorgung. Platz 2 besetzte eine Plattform zur Verwertung von Restaurantabfällen. Das Siegerteam „Happy Farm“ schließlich ging der Frage nach, wie für die städtische Armutsbevölkerung trotz unsicherer Einkommen und steigender Lebensmittelpreise Ernährungssicherheit erreicht werden kann. Ihre Antwort: Mit einer Farm im Karton, die alle notwendigen Materialien enthält, um im Hinterhof Lebensmittel anzubauen. Für insgesamt fünf Teams bedeutete die Auszeichnung bei den Awards nicht nur eine Anerkennung ihrer Arbeit. Sie erhielten auch finanzielle Unterstützung für die Weiterentwicklung ihrer Lösungen.

Digitale Lösungen für den Alltag

Aber das Leben in Kenia besteht nicht nur aus existenziellen Problemen. Viele Lösungsansätze zielen auf Alltagssituationen, wie sie auch bei uns allzu bekannt sind. Der neu eingeführte Track Lifestyle & Cosmetics erfreute sich größter Beliebtheit, Ideen wie ein Portal zur Vermittlung von Informationen zu Gesundheit und Schönheit oder eine E-Commerce-Plattform für lokale Designer spiegeln die Lebenswirklichkeit junger, selbstbewusster Kenianer wider. Im Finance-Track wurde an einer Möglichkeit gearbeitet, die Mittelschicht zu mehr Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit Geld zu erziehen, um für große Anschaffungen zu sparen. Und das Team AD Backup wirbt für Backups, damit ein verlorenes Smartphone leichter ersetzt werden kann.

Das Team der Impact Week und der Africa Nazarene University / Bild: Julia Zhu/Oseon

Impact Week zeigt Chancen auch für Unternehmen in Europa

Afrika ist kein verlorener Kontinent. Die Impact Week hat gezeigt, wie viel Talent in der Jugend steckt und wie viel Lust sie hat, die Zukunft zu gestalten. Dabei will sie natürlich einen Unterschied machen, ihr Umfeld und die Gesellschaft verändern. Aber sie wollen auch ihre eigenen Fähigkeiten ausbauen, Geld verdienen und vorankommen. Dass darin eine riesige Entwicklungschance für Unternehmen weltweit liegt, zeigt übrigens die Sponsorliste. Neben Oseon waren dies Lufthansa, Accenture, PwC und der Kosmetik-Hersteller Cosnova. Für die war das Event eine hervorragende Plattform für Employer Branding. Aber auch die ein oder andere Inspiration, wie man the next billion anspricht, die nächste Milliarde noch nicht erreichter Kunden, haben sie bestimmt mitgenommen.

Titelbild: Mustafa Omar on Unsplash

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