Unisex-Toiletten, LGBTQ & Gendersternchen - Mehr Diversität bei OTTO

Ein homosexuelles Paar küsst sich in einem deutschen TV-Spot. Ein längst überfälliger und begrüßenswerter Schritt zu mehr Diversität, wie wir finden – umso positiver überrascht waren wir, dass ein traditionelles deutsches Unternehmen dahintersteht. Auf den zweiten Blick scheint OTTO jedoch nicht nur nach außen hin buntere Facetten zu zeigen. Das wollten wir uns genauer anschauen und sprachen mit zwei Initiator:innen der OTTO-Projektgruppe für gendergerechte Sprache, Linda Gondorf und Christian Grünert.  

Soziale Inklusion fängt mit gendergerechter Sprache an / Bild: Sharon McCutcheon auf Unsplash 

Linda und Christian, beim Thema Diversität hat sich bei OTTO in letzter Zeit einiges getan. Um ein paar Beispiele zu nennen: 2019 startete MORE*, ein internes queeres Netzwerk, das sich für LGBTQ-Interessen einsetzt. Seit über einem Jahr engagiert ihr euch für gendergerechte Sprache und habt euch in eurer Kommunikation für das „Gendersternchen“ entschieden. Im Rahmen der „Mach Zuhause draus“-Kampagne zeigte OTTO im Sommer 2020 erstmalig ein homosexuelles Paar in einem TV-Spot. Im gleichen Jahr führte euer Standort in Hamburg geschlechtsneutrale Toiletten ein. Womit hat alles angefangen? Was waren eure Beweggründe? 

CHRISTIAN: Da muss ich einen kleinen Bogen spannen und etwas weiter ausholen, denn es gab nicht „den einen Beweggrund“, der alles zum Rollen gebracht hat: Vielmehr ist das für mich eine Frage der grundsätzlichen Haltung und Kultur eines Unternehmens und der Mitarbeiter:innen. Bei OTTO erleben wir seit Jahren und Jahrzehnten über alle internen Bereiche hinweg weltoffene, tolerante, interessierte und vor allem engagierte Kolleg:innen, die einen wertschätzenden Umgang miteinander pflegen und die gemeinsam etwas bewirken und verbessern wollen. Sei es nun in Bezug auf z.B. das große Thema Nachhaltigkeit – oder eben auch im wichtigen Kontext der Diversität. 

Ich bin der Meinung, dass so ein breiter Schulterschluss in der Belegschaft heutzutage nicht in jedem großen Unternehmen alltäglich ist – allerdings bildet diese gemeinsame Haltung unserer Kolleg:innen und unserer Marke für uns das wichtige Fundament, um unsere Werte überhaupt glaubwürdig nach außen und zu unseren Kund:innen tragen zu können.  

ES IST NUR KONSEQUENT, ALS MARKE DIE GELEBTE REALITÄT UNSERER GESELLSCHAFT HINSICHTLICH MEHR DIVERSITÄT HÖRBAR, SICHTBAR UND SPÜRBAR ZU MACHEN.

Christian Grünert

ABBAU VON HIERARCHIEN SCHAFFT RAUM FÜR MEHR DIVERSITÄT UND EINE RESPEKTVOLLE ARBEITSKULTUR

CHRISTIAN: Darauf aufbauend gibt es seit einigen Jahren bei uns einen Kulturwandel, der z.B. interne Hierarchien ab- und eine respektvolle „Duz“-Kultur aufgebaut hat. In diesem Wandel entstanden auch immer mehr interne Projekte, Formate und Initiativen von Kolleg:innen wie beispielsweise das Projekt zur „Gendergerechten Sprache“ oder das queere Group-Netzwerk MORE*, das sich ebenfalls für mehr Diversität in unserer Marken-Kommunikation stark macht. Außerdem sind – auch und gerade – unsere Kolleg:innen im Bereich Strategy & Brand und in der Unternehmenskommunikation sehr sensibel für eine faire Kommunikation, die keinen Menschen diskriminiert. 

Und nicht zuletzt sind wir eine moderne Marke, die im Hier und Jetzt verankert ist. Da ist es für uns nur konsequent, dass wir die gelebte Realität in unserer Gesellschaft in Hinsicht auf Diversität auch als Marke ganz selbstverständlich hörbar, sichtbar und spürbar machen – wie zum Beispiel in dem angesprochenen TV-Spot mit dem homosexuellen Pärchen. Um das alles abschließend auf den Punkt zu bringen: Diversität ist ein elementarer und nicht mehr wegzudenkender Bestandteil der gesamten OTTO-Markenhaltung.

GENDERGERECHTE SPRACHE FÄNGT BEI DIR AN

Ein solcher struktureller Wandel ist sicher nicht von heute auf morgen zu erzielen. Gab es auch Hindernisse, die ihr überwinden musstet? Was war euer größter Meilenstein?

LINDA: In Bezug auf die gendergerechte Sprache ist es erst einmal wichtig, sich selbst intensiv damit zu beschäftigen, sie vor allem im Alltag zu nutzen. Schriftlich ist es einfacher umzusetzen als mündlich. Übung macht hier den/die Meister:in. Ich habe bestimmt ein paar Wochen gebraucht, bis der glottale Verschlusslaut (also die kleine Pause bei Kolleg:innen) in meinen Sprachgebrauch übergegangen ist. Da kam es sicherlich auch mal zu lustigen Situationen, in denen ich mich selbst korrigiert habe.

Ein Meilenstein ist ganz sicher unser Angebot an Online-Sessions zu dem Thema. Hier holen wir seit fünf Monaten all unsere 4900 Kolleg:innen mit dem Thema ab, machen Übungen, zeigen Tipps und Tricks. Wir geben zweimal die Woche Sessions und diese sind immer ausgebucht. Das macht super Freude und wir lernen alle voneinander. (Über ihre Erfahrungen mit der OTTO-Initiative für gendergerechte Sprache erzählen Linda und Christian auch in ihrem Podcast)

ES NÜTZT NICHTS, WENN UNTERNEHMEN EINE REGENBOGENFAHNE AUFHÄNGEN, ABER SONST NICHTS TUN, UM HASS UND HETZE, AUSGRENZUNG UND DISKRIMINIERUNG ZU BEENDEN.

Linda Gondorf 

DIVERSITÄT VS. RASSISMUS – HINDERNISSE UND BACKLASHS

Eure externe Diversity-Kampagne hat in sozialen Netzwerken teilweise ganz schönen Gegenwind bekommen, leider nicht selten in Form von Rassismus. Seid ihr denn auch bei internen Projekten mal auf Widerstand gestoßen, beispielsweise bei der Einführung der Unisex-Toiletten?

LINDA: Wir haben bis jetzt sehr viel positives Feedback auf all unsere Tätigkeiten in Bezug auf Diversity bekommen. Wir sind aber auch ein Unternehmen, das in seiner 70-jährigen Geschichte schon immer sehr viel Wert auf Toleranz und Wertschätzung gelegt hat. Die Kolleg:innen fragen sicherlich nach, wenn sie etwas nicht verstehen oder beim Thema Gendersprache zum Beispiel Stolpersteine finden oder Dinge nicht verstehen. Dann versuchen wir zu helfen und aufzuklären. Die Toiletten wurden durchweg positiv aufgefasst.

Hat sich seit euren Bemühungen auch in der Belegschaft von OTTO mehr Diversität eingestellt? Gibt es bei euch eine Frauenquote? 

LINDA: Schon vor unseren internen Bemühungen haben wir hier seit Jahren ganz gute Zahlen. Katy Roewer ist Bereichsvorständin bei uns, Mutter und arbeitet im Rahmen einer 80 Prozent-Stelle. Dazu haben wir im Durchschnitt rund 30 Prozent weibliche Führungskräfte. Das ist uns aber noch nicht genug und wir wollen in den kommenden Jahren dort nachlegen. Daher fördern wir auch junge Frauen mit Workshops wie die DevelopHER – ein IT-Event, wo wir Frauen den Zugang zu Tech-Themen anbieten – oder Mentoringprogrammen und Trainings. Diversity ist natürlich mehr als Frauenanteil. Wir haben bei OTTO vier Netzwerke, die sich für Mitarbeiter:innen stark machen. Darunter auch ein #experienced-Netzwerk, für ältere Mitarbeitende und ein Väter-Netzwerk.

Sind eure Ziele in punkto Diversität erreicht worden? Was ist euer nächstes Ziel? 

LINDA: Wir haben immer neue Ziele und neue Herausforderungen. Die Zeiten wandeln sich heute so schnell und wir wollen das Thema Diversity auch in Zukunft weiter vorantreiben und pushen. Wir wollen dazu beitragen, dass diese Gesellschaft tolerant, offen und divers wird. Es nützt nichts, wenn Unternehmen eine Regenbogenfahne aufhängen, aber sonst nichts tun, um Hass und Hetze, Ausgrenzung und Diskriminierung zu beenden.  

Vielen Dank an euch beide für das spannende Gespräch. Vielleicht bietet ihr ja bald auch schon externe Kurse zu gendergerechter Sprache an… ;)

Linda Gondorf

Linda Gondorf (34) ist seit Januar 2019 bei OTTO und seit 2020 Chefin vom Dienst in der OTTO-Unternehmenskommunikation #OTTOCOMMS (hier geht’s zu LinkedIn). Dazu leitet sie mit Kolleg*innen die Projektgruppe „Gendergerechte Sprache“. Zuvor war sie leitende Redakteurin im Ressort Medien und Kommunikation beim Fachmagazin absatzwirtschaft, ein Magazin der Handelsblatt Media Group. 

Christian Grünert 

Christian Grünert (41) ist Werbekaufmann und Werbetexter. In seiner Rolle als Senior Texter im Bereich Strategy & Brand verantwortet er seit 2016 die Entstehung und Weiterentwicklung der OTTO-Markensprache. Dazu ist er in die Kampagnen-Kommunikation der Marke OTTO involviert und Co-Founder der Projektgruppe „Gendergerechte Sprache“. Zuvor betreute er als Texter in der Dialogmarketing-Agentur B&F Brüggemann & Freunde in Borken u.a. Kunden wie Der Spiegel, Postbank, Gruner + Jahr. Außerdem ist Christian Co-Founder der Werbeagentur Die Direkten in Hamburg, in der er bis 2016 als Teil der Geschäftsführung tätig war.  

Titelbild: Curology
 on Unsplash
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