Schmeißfliegen-Marketing: Pokémon GO

Wo immer ein Trend, ein Hype, eine Sensation zu erahnen ist, was die Zahl neuer Nutzer, Reichweite und Nutzungsintensität von Apps und Social Networks betrifft, kommen sie angeschwirrt wie ein lästiges Insektenvolk. Ich nenne sie „Marketing-Schmeißfliegen“ – denn sie nerven.

Ihr Ziel: Jedem, der es nicht hören will, mitzuteilen, wie supererfolgreich doch eben jene App jetzt sei. Und dass man hier fünf bis drölfzig Tipps  habe, wie der Trend schnellst- und bestmöglich in Business, Leads, Fans, Markenkontakte, Umsatz, etc. umzumünzen sei. Marketing-Schmeißfliegen riechen solche Gelegenheiten, wie ihre sechsbeinigen Kollegen den Kuhfladen auf der Dorfstraße. Heißer Scheiß halt. So wie in den letzten Wochen bei Pokémon GO.

Bild: Luis Alejandro auf flickr - https://flic.kr/p/JAB8gM 

Wie Schmeißfliegen auf dem Dung

Ganz ehrlich, mir geht das inzwischen richtig auf den Zeiger. So unter Kommunikationskollegen wird das bei Twitter ja sofort ironisiert. Wie man das halt so macht, wenn man genau weiß, was kommen wird, aber nichts dagegen tun kann. Zugegeben, es schwingt darin auch etwas verdruckste Faszination mit für jene aus der vermarktenden Zunft, die ihr Gespür für Aufmerksamkeitsmagneten sehr schnell in Traffic für ihr Fachblog zu verwandeln verstehen.

Aber ganz ehrlich, muss das wirklich sein? Brauchen wir die 10 Tipps, wie man als Ladenbesitzer Pokemon-Jäger zum Käffchen in die Clubsessel locken kann? Müssen sich Limo-Marken unbedingt an die Monsterfänger ranwanzen? Können wir die Leute nicht einfach mal ihren Spaß haben lassen, ohne dass ihre aktuelle Leidenschaft gleich als Projektionsfläche für irgendwelche Brands missbraucht wird?

Communitygefühl in der Mittagspause

Als unverbesserlicher Ausprobierer habe ich natürlich auch Pokémon GO installiert und war in den ersten Tagen geflasht. Von der sensationellen Mobilisierung, die von dieser Kombination aus digitalen Sammelkarten, Geocaching und Augmented Reality ausgeht. Ich stand mittags mit rund 20 Jugendlichen unweit des Oseon-Büros an einem Denkmal, das sonst mit gnadenloser Missachtung gestraft wird, und fachsimpelte über den Sichlor, der hier rumspukte. Das Smartphone-Spiel brachte Teenies in den Park und Businesskasper in der Mittagspause zum Spaziergang am Frankfurter Anlagenring. Man grüßte sich wissenden Blickes und kam ins Gespräch. Community im besten Sinne.

Und diese Spontangemeinschaft sollte schon wenige Tage später von findigenwindigen Geschäftemachern infiltriert werden? Warum? Weil man jede Community monetarisieren muss, solange sie heiß ist?

Hype-Marketing nervt

Nee, muss man nicht. Communities entstehen noch immer rund um gemeinsame Interessen. Daran haben auch bald zehn Jahre Social Media Marketing nichts geändert. Wenn eine Marke stark genug ist, um Fans zu haben, kann sie diese Community zusammenführen und ihre Kommunikation kanalisieren. Alles fein und mit Umsicht und Respekt füreinander funktioniert das auch.

Doch Unternehmen, die es nötig haben, beim neuesten Spaß für Jung und/oder Alt laut „HIER HIER HIER, WIR SIND AUCH DABEI!“ zu rufen, haben keine Community. Sie stören einfach nur. Wie Schmeißfliegen.

Titelbild: Jin Yeong Kim on Unsplash

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