Das müssen Sie über Erklärvideos wissen

Erklärvideos fangen da an, wo das Schriftliche meist sein Ende findet. Kurze, animierte und oft emotional ansprechende Filme erzählen komplexe Sachverhalte vereinfacht und intelligent. Auch in Marketing und PR kommen Erklärfilme zum Einsatz, um Geschichten zu erzählen. Sie unterstützen das sogenannte Storytelling. Wer ein paar grundlegende Dinge beachtet, kann seinen PR-Mix mit diesem Medium schnell und sinnvoll erweitern.

Erklärvideos als Baustein im SEO-Marketing

Die Bedeutung von Bewegtbild hat in den letzten Monaten vor allem auch für das SEO-Marketing und zur Conversion-Optimierung zugenommen. Doch wie setzen Unternehmen Erklärvideos richtig ein, um ihre Zielgruppe anzusprechen und Botschaften zu verbreiten? Und was müssen sie dabei beachten?

Oseon hat Anna Lena Schiller, Gründerin von annalenaschiller.com, sowie Christian Muth, Gründer und Geschäftsführer der Filmproduktion muthmedia aus Frankfurt, gefragt.

Welchen besonderen Reiz machen Erklärfilme aus?

Anna Lena: Erklärfilme vermitteln gerade erklärungsbedürftige oder auf den ersten Blick trockene Themen auf unterhaltsame Art. Zum Beispiel, wenn ein Unternehmen ein neues Produkt oder seine Strategie vorstellen will. Außerdem funktioniert Bewegtbild auch alleinstehend und regt, wenn es gut gemacht ist, die Zuschauer zum Teilen an. Im besten Fall können Unternehmen so ihre Conversion Rate erhöhen. Mit einem Video emotionalisiere ich Themen und schaffe eine abwechslungsreiche Alternative zu statischen Medien wie Print, Text und meiner Website. Ein Erklärvideo ist, in die Tüte gesprochen, also die Sendung mit der Maus des 21. Jahrhunderts.

Anna Lena Schiller: „Erklärvideos können über das firmeneigene Intranet, die Website, dem eigenen YouTube-Kanal oder auf einer Konferenz gestreut werden“ / Bild: Anna Lena Schiller

Christian: Bewegtbild ist aus unserer Sicht das aktuell sinnvollste Medium, mit dem Unternehmen ihre Kommunikationsziele schnell und vor allem sehr nachhaltig beim Empfänger verankern können. Visuelle Reize und Informationen sind relevanter für das Gehirn. Sie werden besser verarbeitet und gespeichert.

Der Reiz liegt vor allem in der Abstraktionsfähigkeit. Erklärfilme vermitteln schwierige oder komplizierte Themen angenehm und vereinfacht. Bei manchen Dingen ist es sehr aufwendig, sie über Realbilder dazustellen. Zum Beispiel das Innenleben einer Maschine oder Phantasiewesen wie Einhörner

Christian Muth: „Abstrahierung, Kosten, Geschwindigkeit und Skalierbarkeit sind klare Vorteile beim Erklärfilm“ / Bild: muthmedia

Realfilm, Legetechnik, 2D, 3D – fast jede Stilrichtung ist machbar

Christian: Es gibt bei Erklärvideos verschiedene Stilrichtungen – Realfilm, 2-D- oder 3-D-Animiationstechnik, 360-Grad-Video oder virtueller Film. Welche Art des Films – also animiertes, gezeichnetes Video oder Realfilm – am besten passt, hängt davon ab, welche konkreten Ziele das Unternehmen mit dem Video verfolgt. Soll es ein bestimmtes Image des Unternehmens an potenzielle Neukunden transportieren? Soll es die Zustimmung der eigenen Mitarbeiter für einen Change-Prozess gewinnen? Oder wird es später zu Schulungswecken eingesetzt? Eines haben alle Filmvarianten gemeinsam: Sie können und sollten Botschaften emotional, schnell und effektiv transportieren.

Anna Lena: Neben der Frage, ob es analoge oder digitale Zeichnungen sein sollen, gibt es weitere Unterschiede in der jeweiligen Stilrichtung. Es bieten sich unterschiedliche Techniken an wie Stop-Motion, One-Take, Legetechnik oder Collage. Der Vorteil ist, dass Erklärvideos für jedes Unternehmen und jede Branche geeignet sind. Überall dort, wo viel geredet wird, muss auch viel erklärt werden. Und wo viel erklärt wird, helfen Bilder effizienter, besser und mit mehr Spaß zu kommunizieren.

Produktionskosten für Erklärfilme variieren stark

Christian: Abhängig von Machart und Länge liegen die meisten Anbieter in der Regel zwischen 2.500 und 8.000 Euro. Sehr aufwändige Produktionen können aber auch schon mal bei 10.000 bis 50.000 Euro liegen. Vor allem sollten sich Unternehmen vom Anbieter nicht in eine Schablone pressen lassen, und darauf achten, dass in dem Erklärvideo keine standardisierten Grafiken genutzt werden. Diese sind oft abgenutzt und eigentlich nur nervig.

Das Video sollte so individuell wie das Unternehmen sein, bloß kein Mainstream. Denn wenn sich der Film nicht von Videos anderer Unternehmen abhebt und alles gleich aussieht, erzeugt das beim Empfänger keinerlei Aufmerksamkeit für die eigene Botschaft. In diesem Falls ist es dann auch besser, kein Video zu produzieren.

Anna Lena: Je nach Machart und Standards sind die Preise tatsächlich sehr unterschiedlich. Produktionen fangen bei uns bei etwa 4.000 Euro an. Das kann je nach Aufwand auch auf 40.000 Euro anwachsen. Alles unter 2.000 Euro würde ich eher für unseriös halten.

Kriterien für Produktionskosten

Unternehmen sollten vor allem auf folgende Punkte achten, die oft ausschlaggebend für die Höhe der Produktionskosten sind:

  • Wie lang soll der Film sein?
  • Wie soll der Stil des Videos sein? Will das Unternehmen auf bereits entwickelte Standards zurückgreifen? Oder soll als Alleinstellungsmerkmal ein völlig neuer Stil entwickelt werden beispielsweise für eine Werbekampagne?
  • Wie sieht die Vertonung aus? Benötigt das Video einen Sprecher? Und wenn ja, in einer Sprache oder soll das Video in mehreren Sprachen verfügbar sein?
  • Soll das Video außerdem mit Musik hinterlegt werden? Unternehmen können etwa GEMA-freie Musik für unter 100 Euro nutzen, Lizenzen für bekannte Popsongs erwerben oder sogar eigene Kompositionen in Auftrag geben.
  • Welche Eigenleistungen kann das Unternehmen übernehmen? Oft wird etwa das Skript intern geschrieben. Wir unterstützen aber natürlich auch auf Wunsch.
  • Wie gestaltet sich die Postproduktion? Sollen zum Beispiel Zeichnungen animiert werden, ist das meist ein großer Aufwand und muss entsprechend bei der Budget-Gestaltung berücksichtig werden. Grenzen bei der Gestaltung, der Wahl des Materials, des Stils und der Produktionsart gibt es in der Regel keine.

Und wie hoch ist der zeitlichen Aufwand?

Anna Lena: Für ein dreiminütiges Video sollten Unternehmen inklusive Absprachen und Feedbackrunden realistisch mit vier bis zwölf Wochen rechnen. Zwar könnten wir das Video auch schneller produzieren, aber erfahrungsgemäß läuft eine Videoproduktion oft beim Kunden „nebenher“ und zieht sich dadurch in die Länge. Besonders wenn mehrere Personen im Prozess mitreden, können Abstimmungen, etwa beim Skript, sehr lange dauern.

Den richtigen Anbieter wählen

Anna Lena: Im ersten Schritt sollten sich Unternehmen überlegen, welchen Stil sie sich für Erklärvideo wünschen. Möchten sie einen Film mit Alleinstellungsmerkmal oder reicht ihnen ein Produkt „von der Stange“? Auch die Beratungskompetenz der Agentur ist wichtig. Vor allem, wenn es für das Unternehmen das erste Videoprojekt ist. Ein Erklärvideo ist sowohl zeitlich als auch finanziell eine Investition. Dann sollte das Projekt ja auch Spaß machen und daher finde ich es wichtig, dass das Unternehmen den Anbieter auch sympathisch findet.

Außerdem empfehle ich ein Briefing vorzubereiten, Kostenvoranschläge einzuholen oder eine Ausschreibung zu starten. So sind Preise der Anbieter einfacher vergleichbar.

Wie sollte so ein Briefing aussehen?  

Anna Lena: Am besten startet das Unternehmen mit einem Grobkonzept mit folgenden Punkten

  • Was ist das Thema, das mit dem Erklärvideo vermittelt werden soll?
  • Wer ist die Zielgruppe?
  • Was sind die Kernbotschaften und welche Reaktion wünsche ich mir bei der Zielgruppe?
  • Wo soll das Video anschließend eingesetzt werden, für die Website, eine Konferenz, einen Pitch etc. Darauf folgt dann das Feinkonzept. Hier sollten die folgenden Punkte behandelt werden:
  • Gibt es bereits ein Skript und einen Sprecher?
  • Wie hoch ist das verfügbare Budget?
  • Hat das Unternehmen bereits eine Stilvorstellung?
  • Wie lang soll das Video und soll es animiert werden? Wenn ja, in welchem Umfang soll animiert werden?

Christian: Oft liegt die Botschaft, die Unternehmen mit dem Video vermitteln will, schon als Text vor. Dieser ist aber meist viel zu umfangreich. Da ein Video mit Bildern, Texten und Ton arbeitet, kann es in viel kürzer Zeit Botschaften vermitteln als ein Text es vermag. Pro Minute Film kann man etwa 150 gesprochene Wörter unterbringen. Texte, die zum Beispiel regulatorische Inhalte vermitteln, sollten Unternehmen auch vorher mit ihrer Legal-Abteilung besprechen, damit der Text nach dem Einsprechen nicht noch aus rechtlichen Gründen geändert werden muss.

Der Sprecher des Textes sollte außerdem zum Image des Unternehmens und zur Zielsetzung passen. Bei mehrsprachigen Videos empfehlen wir grundsätzlich Muttersprachler. Außer das Video soll bewusst humoristisch wirken, dann kann man beispielsweise einen Akzent einsetzen.

Typische Fehler in der Erklärvideo-Produktion

Anna Lena: Aus meiner Sicht ist das Skript meist die schwierigste Geburt. Die meisten unterschätzen den damit verbundenen zeitlichen Aufwand. Unternehmen sollten hierfür genug Zeit einplanen und sich eventuell Unterstützung holen. Mit einem guten Text plus einem guten Sprecher sind schon 50 Prozent der Arbeit getan – und eine wichtige Grundlage für die weiteren Produktionsschritte geschaffen.

Der typische Produktionsablauf gliedert sich dann in die Schritte: Skript, Storyboard, Produktion und Postproduktion. Oft kommen noch kleinere Schritte dazu wie Skriptüberarbeitung, Stilberatung und Sprechercasting.

Wie messe ich den Erfolg eines Erklärvideos?

Christian: Den Erfolg können Unternehmen natürlich quantitativ, in Form von Klickzahlen, Conversions und Reichweite, sowie qualitativ messen – also wie das Video auf die Zielgruppe wirkt. Interessant ist vor allem wie häufig das Video durch die Zuschauer geteilt wird, an welchen Stellen die Nutzer abspringen, und ob ich die Zielgruppe durch das Video auf die eigene Website oder meiner Owned Media leiten kann, also auf die Medienkanäle, die mir als Unternehmen gehören.

Bei internen Schulungsvideo kann das Unternehmen auch über einen Fragebogen erheben, inwieweit die Mitarbeiter die zu vermittelnden Inhalte verstanden haben. Zum Beispiel eignen sich Videos beim Thema Compliance, Corporate Governance oder auch bei der klassischen Arbeitsunterweisung, zu der jeder Arbeitgeber verpflichtet ist wie Arbeitsschutz, Datenschutz oder Brandschutz.

Und mit Bewegtbild kann man nicht nur Botschaften verbreiten. Erklärvideos sind wie bereits erwähnt, auch ein wirkungsvolles Instrument für das Online-Marketing und die Suchmaschinenoptimierung (SEO). Beispielsweise verbessert sich das Google-Ranking einer Website durch Filmproduktionen deutlich. Ein in einen Artikel eingebundenes Video erhöht das die Interaktion. Der Beitrag wird dreimal häufiger geteilt als ein purer Text. Auch die Verweildauer auf einer Website erhöht sich durch Filmproduktionen deutlich. Der Nutzer setzt sich länger mit den darin enthaltenen Botschaften auseinander. All das lässt ist messbar.

Erklärfilm gelungen? Dann testen Sie weitere Videoformate!

Erklärvideos sind ein schöner und leicht zu erschließender Start in die Bewegtbild-PR. Warum im zweiten Schritt nicht noch mehr mit Video machen? Warum nicht mal Realfilm in Form einer Case Study mit einem eindrucksvollen Kunden oder als kleine Reportage. Was Sie dabei beachten sollten, haben wir hier für Sie zusammengestellt.

Titelbild: Jon Tyson on Unsplash

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